Alfred Evert 22.04.2007

06.07. Beschleunigung in Düsen

Manipulation von Dichte und Geschwindigkeit
In vorigen Kapiteln wurde dargestellt, wie durch die mechanische Bewegung einer ´Wand´ die Dichte von Fluidpartikeln sowie die Richtung und Geschwindigkeit der molekularen Bewegungen zu manipulieren ist. Das ergibt sich aber auch schon durch ´passive´ Maßnahmen, z.B. allein aufgrund der Gestaltung solcher Wände. Das wurde schon einmal aufgezeigt bei obigen Potentialdrall- und Segment-Rohren. Bekannt und oft genutzt werden die Effekt, welche bei Düsen auftreten. Eine besondere Form wird bei der ´Laval-Düse´ eingesetzt - mit ´phänomenalem´ Beschleunigungseffekt.

Die generelle Form dieser Düse ist schematisch in Bild 06.07.01 im Längsschnitt dargestellt. Die Querschnittsfläche A eines Rohres (grau) wird reduziert zu einer Düse C und danach wieder erweitert auf größeren Durchmesser D. Im Bereich A vor der Düse herrscht Strömung von Unter-Schallgeschwindigkeit, in der Düse C wird Schallgeschwindigkeit erreicht - und erstaunlicherweise fließt die Strömung im Bereich des sanft erweiterten Auslasses D mit Über-Schallgeschwindigkeit ab. Dieser Effekt wird beispielsweise genutzt zum Schneiden von Stahl mittels Wasserstrahl.

Die phänomenale Erscheinung kann theoretisch mit ebenso ´phänomenalen Rechentricks´ einigermaßen erklärt werden - aber offen bleibt, woher die Energie zu dieser Beschleunigung kommen soll. Entscheidend sind dabei die Kollisionen von Partikeln vor der Engstelle. Dort ist erhöhte Dichte gegeben, die Partikel kollidieren in kürzerer Folge und damit steigt die Wahrscheinlichkeit von Mehr-Fach-Kollisionen. Hier sind z.B. zwei Partikel (rot) dargestellt auf ihrem prinzipiellen Weg von der Rohrwand nach innen. Sie treffen dort zusammen (gelb) und zeitgleich auf einen dritten Partikel (weiß). Auf diesen Dritten wird praktisch die doppelte kinetische Energie übertragen, so dass er mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Düse C in den Auslass-Bereich D fliegt. Die zwei energie-abgebenden Partikel bleiben zurück mit relativ geringer Geschwindigkeit.

Verteilung der Geschwindigkeiten
Nicht alle Partikel eines Fluids bewegen sich mit gleicher Geschwindigkeit im Raum. Es wird ´Gauß´sche Normalverteilung´ unterstellt, hier skizziert als Glocke E unten links im Bild. Aus dieser ergibt sich z.B. eine durchschnittliche Geschwindigkeit von Luft-Partikeln mit etwa 500 m/s, bei einem Minimum/Maximum von 0 bis 1000 m/s. Normalerweise ändert sich an dieser Verteilung nichts, weil bei Kollisionen jeweils die Richtungen und Geschwindigkeiten eins-zu-eins ausgetauscht werden. Entscheidende Änderungen kommen nur zustande aus Kollisionen, bei denen nicht nur zwei Partner sich austauschen - bzw. erst dadurch ergeben sich überhaupt diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

In obiger Düse sind die Bedingungen für Mehrfach-Kollisionen günstig und darüber hinaus weisen die beteiligten Partikel eine bevorzugte Richtung auf (siehe Vektoren obiger Partikel), so dass sich dort bevorzugt diese überschall- bzw. sogar ´über-molekular-´schnelle Bewegungen in Strömungsrichtung ergeben.

Das ´phänomenale´ Ergebnis ist eine veränderte Häufigkeitsverteilung der Geschwindigkeiten, wie schematisch bei F (unten rechts im Bild) skizziert ist: seltsamerweise gibt es vermehrt Partikel geringer Geschwindigkeit, die im Bereich der Düse ´herum-stehen´. Aber es gibt andererseits vermehrt Partikel mit wesentlich erhöhter Geschwindigkeit. Die gesamte kinetische Energie des Fluids ist unverändert - nur die aktuelle kinetischen Energie der Partikel ist nun etwas anders verteilt.

Durch rein passive Maßnahme (geeignete Verjüngung und anschließende Erweiterung der Querschnittsfläche) wird eine Manipulation der molekularen Geschwindigkeiten erreicht - so dass weiches Wasser harten Stahl schneiden kann. Dabei wird die gegebene kinetische Energie der beteiligter Partikel etwas anders verteilt - wozu kaum externe Energie erforderlich ist.

Normale und Laval-Düsen
In Bild 06.07.02 sind im Längsschnitt zwei Rohre (grau) dargestellt, oben mit ´normaler´ Verjüngung und Erweiterung, unten in der speziellen Form einer Laval-Düse. Bei A fließt Fluid mit gegebener Geschwindigkeit von links nach rechts, bei B wird das Rohr enger und nach bekannter Gesetzmäßigkeit dabei beschleunigt. Anschließend fließt das Fluid schneller durch das Rohr C, ohne dass hierzu eine entsprechende externe Kraft aufzuwenden war.

Umgekehrt wird Fluid aus einem dünnen Rohr bei größer werdender Querschnittsfläche D langsamer, der Strömungsdruck wird geringer und der statische Druck größer, seltsamerweise aber nicht genau entsprechend. Seltsamerweise tritt ein ´Widerstand´ auf, so dass das Fluid bei E im Rohr (bei gleich bleibendem, großen Querschnitt) nun langsamer fließt. Eine Verengung des Rohrquerschnitts ist also hinsichtlich des Durchsatzes neutral bzw. positiv, eine Erweiterung nach aller Erfahrung dagegen negativ (hinsichtlich Durchsatz und Strömungsdruck). Dieser Sachverhalt ist in der Strömungslehre bekannt. Unbekannt ist jedoch die ´Energie-Quelle´ für die im Engpass erhöhte kinetische Energie (und ebenso der Energie-´Verlust´ im erweiterten Rohr).

P. de Laval (und unabhängig davon E.Körting) entdeckten vor rund 120 Jahren aber eine Bauweise, bei welcher dieser Durchsatz-Verlust nicht auftritt. Diese ´Laval-Düse´ ist schematisch in diesem Bild unten skizziert. Das Rohr verjüngt sich bis zu einem Engpass und wird danach wieder erweitert, am Auslass auf größere Querschnittsfläche als am Einlass. Die Übergänge sind gleitend zu gestalten und die Spreizung nach hinten sollte zehn Grad nicht überschreiten. Im konvergenten Einlass-Bereich F ist die Strömung unter Schallgeschwindigkeit, an der Engstelle G erreicht sie Schallgeschwindigkeit und im divergenten Bereich H Über-Schallgeschwindigkeit.

Modell molekularer Bewegungen
In Bild 06.07.03 ist anhand schematischer Bewegungsabläufe das Verhalten der Fluid-Partikel dargestellt. Ausgangsbasis ist der ´Bewegungsradius´ A eines Moleküls. Ausgehend von seinem aktuellen Standort wird es sich nach einer Zeiteinheit irgendwo auf diesem Kreis befinden, nachdem es nach einer Kollision dort hin gestoßen wurde mit dieser mittleren molekularen Geschwindigkeit. Pausenlos erfolgen diese Kollisionen und Bewegungen in alle Richtungen des Raums.

Bei B sind zwei Moleküle (rote Punkte) in einem Rohr (grau) eingezeichnet, die sich stellvertretend für alle Bewegungsmöglichkeiten darin nur auf- und abwärts bewegen. Sie pendeln praktisch nur vom Zentrum des Rohrs nach außen (dort noch einmal eingezeichnet) und zurück. Dieses Bewegungsmuster repräsentiert also ´ruhendes´ Fluid.

Bei C ist dieser Molekül-Bewegung eine Vorwärts-Bewegung aufgeprägt, d.h. diese Partikel wandern im Rohr im Zickzack nach vorn (nach rechts). Natürlich bewegen sie sich real noch immer in alle Richtungen, nur eben in Summe jeweils um diese Distanz etwas weiter nach vorn. Ihre molekulare Geschwindigkeit ist unverändert, d.h. auch hier ist die Distanz je Zeiteinheit unverändert. Schon diese modellhafte Darstellung verdeutlicht, dass Fluid (gleicher Dichte und Temperatur) bei schnellerer Strömung einen kleineren Rohrquerschnitt beansprucht. Außerdem treffen die Partikel weniger häufig auf die Rohrwand und in spitzerem Winkel, so dass sie weniger seitlichen, statischen Druck ausüben.

Bei D ist das typische Bewegungsmuster bei Schallgeschwindigkeit dargestellt. Das Fluid kommt im Raum z.B. mit 333 m/s voran (VS 333, gestrichelte Linie), aber die Moleküle fliegen auf diesem Zickzack-Weg mit der molekularen Geschwindigkeit von 470 m/s (VM 470). Natürlich beanspruchen sie dabei nochmals kleineren Rohrquerschnitt, weisen geringeren seitlichen Druck und entsprechend höheren Strömungsdruck auf.

Querschläger und Freiflieger
Bei E ist ein enger werdendes Rohr (grau) dargestellt, wobei wieder voriges repräsentative Bewegungsmuster einer Fluidströmung (wie bei vorigem C) eingezeichnet ist. An der schrägen Rohrwand werden die Moleküle reflektiert und kehren nun steiler zur Rohrmitte zurück, von mal zu mal steiler. Die Moleküle bewegen sich noch immer mit gleicher Geschwindigkeit, d.h. die Kollisionen erfolgen in kürzeren Zeitabständen. Resultierend ist eine höhere Dichte und wesentlich erhöhter statischer Druck (entgegen geltender Gesetze). Diese gelb markierten Partikel werden hier ´Querschläger´ genannt.

Daneben gibt es Bewegungsmuster, die zum Ergebnis wesentlich beitragen. Bei F ist die Situation von Partikeln dargestellt, die momentan sich (fast) in Längsrichtung des Rohres bewegen. Wenn sie mit Partikel ähnlicher Richtung kollidieren, findet keine Verzögerung der Strömung statt. Die Partikel fallen mit nahezu molekularer Geschwindigkeit durch eine Düse ins Freie, praktisch widerstandslos und ohne seitlichen Druck auf die Rohrwand auszuüben. Diese Partikel sind hinsichtlich des Durchsatzes besonders ´wertvoll´, weil sie Lücken hinterlassen und nie mehr dort hin zurück kommen. Diese blau markierten Partikel werden hier ´Freiflieger´ genannt, als gegensätzliches Bewegungsmuster voriger Querschläger.

Steher und Raser
Die Partikel eines Gases bewegen sich nur durchschnittlich mit einer bestimmten Geschwindigkeit (z.B. obigen 470 m/s), real fliegen sie aber unterschiedlich schnell. Wenn Partikel in ähnliche Richtung fliegen (bei G), wird es bei Kollisionen häufig zu ´Auffahr-Unfällen´ kommen. Ein schneller Partikel gibt seine Geschwindigkeit an einen zuvor langsameren Nachbarn ab und bleibt selbst (fast) stehend im Raum zurück bzw. wird nur geringfügig zur Seite oder zurück gestoßen.

Dieses Bewegungsmuster wird hier ´Steher´ genannt, weil sie relativ ruhig im Raum herum ´stehen´. Sie stellen bei nachfolgenden Kollisionen keinen großen Widerstand dar, sind in diesem Sinn ´leicht´. Sie sind in diesem Sinne ´wertvoll´, als sie nächstens in beliebige Richtung widerstandslos zu beschleunigen sind. Nach erneuter Kollision können sie z.B. besonders schnelle ´Freiflieger´ am Auslass der Düse werden.

Bei H ist nun eine Kombination voriger Bewegungsmuster dargestellt, die besondere Bedeutung hat, besonders hinsichtlich der Laval-Düsen. Zwei Querschläger (gelb) treffen zufällig im gleichem Moment auf einen Steher (weiß) und beide übertragen ihre kinetische Energie auf diesen ´leichten´ Partikel. Beide bringen ihre normale molekulare Geschwindigkeit ein und beschleunigen damit den ´Dritten´ nicht nur über-schall-schnell, sondern ´über-molekular-schnell´ (maximal auf 2*470 = 940 m/s). Die beiden ursächlichen Partikel werden nur geringfügig zurück gestoßen bzw. werden im Extremfall selbst zu ´ruhenden´ Stehern, während der dunkelblau markierte Partikel - hier ´Raser´ genannt - um so schneller davon fliegt.

Natürlich fliegen solche Raser nicht genau in Längsrichtung des Rohrs, ist deren Strömung insgesamt also nicht doppelte Molekulargeschwindigkeit. Wohl aber ist dieses Bewegungsmuster ausschließliche Ursache für ultraschall-schnelle Strömung aus obiger Laval-Düse. Deren erweiterte Rohrwand schützt praktisch diese Raser vor Kollisionen seitlicher Nachbarn. Andererseits muss der Öffnungswinkel so klein gehalten werden, dass in dieser super-schnellen Strömung auch wiederum nur Kollisionen ähnlicher Richtungen oder vorige Auffahr-Kollisionen gegeben sind. Darüber hinaus ergibt das größere verfügbare Volumen eine geringere Dichte, d.h. die Partikel haben erhöhte Chance relativ lang ungehindert zu fliegen, d.h. große Distanz zurück zu legen, so dass insgesamt tatsächlich diese super-schnelle Strömung zustande kommt.

Bewegungsmixtur
Es ist also keinesfalls so, dass eine anstehende Strömung durch Verjüngung des Rohres einfach ´einen Zahn zulegt´ (um den Formeln zu gehorchen). In normaler Strömung sind die Bewegungen schon höchst unterschiedlich, innerhalb der Düsen aber ist der Bewegungsablauf noch wesentlich differenzierter (während Formeln nur pauschal die Dichte, Strömungs-, Schall- und Molekular-Geschwindigkeit handhaben).

Auslöser des Beschleunigungs-Effektes ist die Reduzierung der Querschnittsfläche (in strömungskonformer Art), womit zunächst erhöhter Druck oder Dichte erzeugt wird und sich wesentlich kürzere Wege zwischen Kollisionen und vermehrt Kollisionen ergeben. Ein Teil der Partikel fliegt dessen ungeachtet direkt durch den Engpass, auch viele Partikel in ähnliche Richtungen hinterher, relativ dicht beisammen und fast parallel ohne schädliche Kollisionen. Damit wird molekulare Geschwindigkeit auf relativ direktem Weg zum Auslass ´durchgereicht´. Besonders bei ´Auffahr-Kollisionen´ wird immer die aktuell höhere Geschwindigkeit weiter gegeben. Andererseits bleiben dort einige Partikel nahezu ruhend im Raum stehen, die relativ wenig Widerstand gegenüber Nachfolgern bieten. Gerade diese Steher erfahren bei ´Zwillings-Kollisionen´ die entscheidende Beschleunigung.

Solche Mehrfach-Kollisionen ereignen sich natürlich auch unter Normal-Bedingungen in ruhendem Fluid und führen damit zur Normal-Verteilung der Molekular-Geschwindigkeiten. Hier im Engpassbereich von Düsen finden diese Mehrfach-Kollisionen häufiger statt. Aufgrund Überlagerung der Molekularbewegung durch die generelle Vorwärtsbewegung der Strömung erfolgen diese Kollisionen bevorzugt mit vorwärts gerichteten Vektoren. Damit tritt diese Geschwindigkeits-Differenzierung (obige Gauß´sche Verteilung) nicht in alle Richtungen gleichförmig auf, sondern eben vorwiegend in Strömungsrichtung.

In dieser Mixtur aus ´Stehern, Querschlägern, Freiflieger und Rasern´ ist also die momentane Geschwindigkeit höchst unterschiedlich, beispielsweise könnten sich diese vier Partikel mit 0, 0, 470 und 940 m/s vorwärts bewegen, also im Durchschnitt mit 350 m/s, also mit Schallgeschwindigkeit durch den Engpass der Düse fliegen - unabhängig von der Geschwindigkeit der originären Strömung. Diese Beschleunigung basiert also nicht auf der Anfangs-Geschwindigkeit und/oder extern einwirkender Kraft. Sie ergibt sich vielmehr aus einer Umformung der prinzipiellen Bewegungsmuster, womit letztlich die Partikel aus den Laval-Düsen fliegen - bis maximal doppelter Molekulargeschwindigkeit schnell.

Natürlich werden einige Leser bezweifeln, ob diese einfachen Bewegungsmodelle dieses Phänomen ausreichend erklären können. Entsprechende Bewegungsmuster sind aber ebenso exklusive Ursache z.B. für die Verdunstung, wo Partikel sogar aus dem Flüssigkeitsverbund heraus gestoßen werden. Dieser ´phänomenale´ Prozess ist extrem bedeutend, weil ohne Verdunstung des Meerwassers es keine Wolken gäbe, keinen Regen und kein Wasser und damit kein Leben an Land. Ebenso entscheidend sind diese Mehrfach-Kollisionen für Änderungen innerhalb vieler Strömungen - und nebenbei eben auch innerhalb von Düsen.

Grundlagen, Flugzeuge, Maschinen
Viele der obigen Sachverhalte sind allgemein bekannt. Hier wurden jedoch die Vorgänge aus einer neuen Sichtweise erörtert. Anstelle nur formelhafter Betrachtungen der Strömungslehre können damit die oftmals ´phänomenalen´ Erscheinungen plausibel erklärt werden. Gerade mit dem letzten Bespiel konnte noch einmal aufgezeigt werden, dass die Wirkung des Soges praktisch ohne Energie-Einsatz zu erreichen ist. Auch eine Beschleunigung ist oftmals allein durch die zweckdienliche Formgebung von Oberflächen zu erreichen.

Damit sind ausreichend Grundlagen diskutiert, um in späteren Kapiteln zweckdienliche Maschinen zu konzipieren. Im folgenden Teil jedoch sollen zuerst höchst interessante Aspekte der Flug-Technologie erörtert werden.

Fluid-Technologie - Grundlagen Fluid-Technologie - Haupt-Menue