Alfred Evert 14.02.2003

01.02. Real und Abstrakt

Abstraktes Denken
Wir Menschen sind stolz darauf, das ´vernunft-begabteste´ Tier zu sein. Tatsächlich verarbeiten wir per Vernunft unsere Sinneseindrücke, planen zukünftige Handlungen, beurteilen kritisch das Ergebnis, wägen ab und entscheiden erneut. Tatsächlich ist tagsüber unser Verstand hellwach, führt pausenlos Selbstgespräche, denkt fortwährend (wenngleich meist im Kreis herum). Tatsächlich wurden wir damit zu einer der erfolgreichsten Gattungen, zumindest im Bemühen, uns ´die Welt untertan´ zu machen (wenngleich mit Nebenwirkungen).

Unsere besondere Fähigkeit besteht darin, von diversen Vorkommnissen oder Erscheinungen gemeinsame Merkmale erkennen und dafür abstrakte Sammelbegriffe einführen zu können. Das ist nützlich im Alltag wie für die Beschreibung von physikalischen Gegebenheiten wie bei philosophischer Betrachtung. Beispielsweise: Lebensmittel sind billiger auf dem Land. Obst ist wichtig für die Gesundheit. Masse weist die Eigenschaft von Trägheit und Schwere auf. Gravitation ist die zwischen Körpern wirksame Anziehungskraft. Menschen verspüren Zuneigung oder Abneigung zueinander. Egoismus ist der Gegensatz von Nächstenliebe.

Erst durch die Verwendung abstrakter Begriffe können wir uns vom konkreten Einzelfall lösen und zu generellen Aussagen bzw. pauschal gültigen Urteilen kommen. Das erleichtert notwendige Entscheidungen im alltäglichen Leben, ermöglicht die Erkenntnis genereller Gesetzmäßigkeiten, ist praktisch Voraussetzung jeglicher Kommunikation (so wie obige Beispielsätze ausschließlich abstrakte Begriffe verwenden).

Dieses Abstraktionsvermögen ist also außerordentlich vorteilhaft. Allerdings gibt es Auswüchse, beispielsweise: den Juristen, der nur noch innerhalb seiner (weltfremden) Terminologie zu denken vermag, den Wissenschaftler, der sich gedanklich nur mehr in ´Worthülsen´ bewegt, den ´Schöngeist´, der immer in ´höheren Sphären´ schwebt.

Seltsamer weise bedienen sich Philosophen abstrakter Begriffe, deren Wesen sie aber nur durch Beispiele aus Alltäglichem bzw. Materiellem verdeutlichen können - oder versuchen Sie doch bitte, z.B. Egoismus bzw. Liebe rein abstrakt zu erklären (aber bei Definition per anderer abstrakter Begriffe diese wiederum ohne Bezug auf simple Realität zu definieren).

Umgekehrt beschreiben Naturwissenschaftler keinesfalls die Realität nur anhand Begriffen (Namen) realer Erscheinungen, sondern arbeiten mit rein gedanklichen Begriffen - oder definieren Sie doch bitte z.B. Anziehungskraft bzw. Elektrisches Feld (ausschließlich aufgrund gesicherter Erkenntnis der zugrunde liegenden Realität - wobei Formeln diese Erscheinungen rechenbar machen, aber keine Erklärung ergeben).

All diese abstrakten Begriffe sind existent als (mehr oder weniger) allgemeingültige Vereinbarung. Aber eben nur auf geistiger (Verstandes-) Ebene. Diese Begriffe besitzen keine reale, also materielle Existenz. Und es ist bemerkenswert, dass gerade in den Naturwissenschaften mit diesen abstrakten (nicht-realen) Begriffen praktisch ausschließlich gearbeitet wird - bis hin zur absoluten Abstraktion in Form nur noch mathematisch relevanter Formeln (z.B. inklusive ´imaginärer´ Faktoren).

Reales Sein
Real gibt es z.B. weder Lebensmittel und Obst, noch Masse und Gravitation, noch Abneigung und Nächstenliebe. Real kann es z.B. bestenfalls den (einen, konkreten) Apfel geben, den Sie sich gerade einverleiben, oder den Apfel, der Ihnen gerade auf den Kopf fällt, oder den Apfel, dem sie diesem hässlichen Menschen an den Kopf werfen, oder den Apfel, den sie diesem netten Menschen gerade schenken wollten.

Real gibt es keine Menschen, real gibt es nur diesen dort mit dem roten Pullover oder jenen dort mit den roten Haaren. Wir können gedanklich abstrakte Sammelbegriffe verwenden - aber real ist immer nur ein ganz konkreter Einzelfall gegeben.

Das mag manchem Leser nun als ´juristische Haarspalterei´ erscheinen - aber gerade dort zeigt sich verhängnisvoll, wenn Begriffe sich verselbständigen und ihren realen Bezug verlieren.

In den Naturwissenschaften ist man aber angewiesen auf Generalisierung, um zu allgemein gültigen Aussagen (Gesetzen) zu kommen. Dennoch ist auch hier die Gefahr groß, dass sich Begriffe etablieren und deren Bezug zur Realität verloren geht, z.B. indem sie nur noch formelhaft in mathematischen Transaktionen gehandhabt werden. Oder aber besteht die Gefahr, dass man vorläufig eingesetzte Begriffe nicht weiter hinterfragt in Bezug auf ihr tatsächlich reales Wesen.

Gravitationstheorie
Am Beispiel des obigen, fallenden Apfels will ich das darstellen bzw. aufzeigen an der ´weitreichendsten Verallgemeinerung, die der Menschenverstand je getroffen hat´ (so Richard Feynman).

Man war begeistert, als Johannes Kepler die Umlaufbahnen der Planeten rechenbar machte und Jsaac Newton das Gravitationsgesetz allgemein gültig beschrieb. Man weiß zudem, dass die Fallbeschleunigung an der Erdoberfläche 9.81 und die Kraft der Gravition 0.00000000000000000000000000000000000000000667 sind.

Das eine sind MeterjeSekundeQuadrat, dieser dreistellige Wert wurde als ´konstant definiert´, gleichwohl Messungen an unterschiedlichen Orten, aber auch am gleichen Ort zu unterschiedlichen Zeiten, praktisch niemals das gleiche Ergebnis zeigen. Das andere sind KilogrammQuadratdurchMeterQuadrat, auf diese Genauigkeit gemessen schon vor zweihundert Jahren mittels Torsionsfadenwaage. Nur damit kann die Masse der Erde bestimmt werden.

Es ist mathematisch keinerlei Problem, mit diesen beiden ´irdischen´ Werten auf MilliardenLichtjahre ins Universum hinaus zu extrapolieren. Es ist aber sehr wohl die Frage, ob basierend auf diesen beiden Ausgangswerte realitätsnahe Ergebnisse zustande kommen können.

Mit der Kepler/Newton-Theorie wurde begründet, dass es ´Anziehungskraft´ geben bzw. ein ´Gravitationsfeld´ existieren muss. Tatsächlich wurde damit nur die Erscheinung der Schwerkraft auf der Erde (näherungsweise) berechenbar. Schon im Sonnensystem wirken zwischen allen beteiligten Himmelskörpern entsprechende ´Anziehungskräfte´ - und die Mathematik versagt schon ihre Dienste bei drei bewegten Körpern. Real ist (aber kaum ausgesprochen wird), dass selbst die Planeten sich niemals exakt an die so berechneten Bahnen halten. Berechnungen über das Sonnensystem hinaus sind somit nicht nur rein theoretisch, sondern müssen als reine Fiktion betrachtet werden.

Darüber hinaus stellt Feynman (sorry, ich hab gerade dieses Buch auf dem Tisch liegen) fest, dass ´bis heute noch kein Mensch über den zugrunde liegenden Mechanismus etwas ausgesagt hat´. Das stimmt wohl nicht ganz, nur wurden anderweitige Aussagen (außer der von Einstein´s ´gekrümmter Raumzeit´ nicht beachtet). Solange man aber über den wirklichen Grund keine Kenntnis hat (also über die Formeln hinaus), kann man keine abstakte Allgemeingültigkeit dieser Gravitations-Hypothese unterstellen.

Realer Fakt ist unsere Kenntnis über Masseträgheit eines Körpers auf der Erde: wenn er sich in Bewegung befindet, will er sich mit gleicher Geschwindigkeit in gleiche Richtung fortbewegen. Zur Ablenkung aus dieser Bahn ist eine seitliche Kraft erforderlich, z.B. wenn ein Körper an einem Seil hängend um eine Achse auf eine Kreisbahn gezwungen wird.

Es ist realer Fakt, dass damit der Körper ständig zur Drehachse hin gezogen wird bzw. gezogen werden muss. Es ist aber rein theoretische Vermutung, wenn dieser Sachverhalt analog auf die Mechanik der Himmelskörper übertragen wird. Noch niemals konnte real diese Anziehungskraft festgestellt werden - nur die Wirkung ´als ob´ die Sonne die Erde an einem Seil um sich führen würde.

Mit dem ´vorschnell´ definierten Begriff eines Gravitationsfeldes entzog man sich der Aufgabe, die reale ´Mechanik´ dieser Wirkung zu ergründen - oder gar durch Überlegungen analog zu anderen Erscheinungen, z.B. der Strömungslehre ernsthaft zu prüfen (bzw. die dazu vorliegenden, sehr präzisen Untersuchungen zur Kenntnis zu nehmen. Das wahre Wesen der Gravitation wird später dargestellt werden).

Atom-Modell
Trotz dieser ungeklärten Problematik hat man die obige Mechanik auch auf kleinere Dimensionen extrapoliert, indem man im gängigen Atom-Modell diverse Elektronen (Planeten) um den Atomkern (Sonnen unterschiedlicher Masse bei ziemlich gleichem Durchmesser) kreisen lässt.

Die negativen Elektronen halten sich auf Abstand aufgrund Abstoßung gleichnamiger Ladungen, werden andererseits auf ihren schalenförmigen Bahnen durch Anziehung der positiven Protonen des Atomkerns gehalten - und jeder kennt das Phänomen (nein, das Dilemma), dass alle gleichnamigen Protonen des Atomkerns unglaublich fest zusammen halten, anstatt schnellstmöglich auseinander zu fliegen.

Auch dort wieder kennt man vielerlei ´Naturkonstanten´ und kann mathematisch exakte Berechnungen ausführen. Aber wiederum hat man das ´elektromagnetische Feld´ als abstrakten Begriff eingeführt, seine rein abstrakte Definition und (eingeschränkte, s.o.) Rechenbarkeit als ausreichend erachtet und ´vergessen´, den realen Hintergrund ergründen zu wollen.

Gerade hinsichtlich der elektromagnetischen Wellen gab es zwischendurch die Vorstellung eines ´Lichtäthers´. Aber diesbezügliche Experimente wurden falsch angelegt oder ihre Ergebnisse unzureichend interpretiert, durch Einstein´s gekrümmte Raumzeit als überflüssig erklärt (und Einstein´s spätere Befürwortung der Existenz eines Äthers wird bis heute offiziell nicht zur Kenntnis genommen).

Ein Außenstehender könnte durchaus den Eindruck eines seltsamen Humors gewinnen: Physiker wollen nicht Spielverderber sein, sondern Phänomene möglichst unbeschadet den nachfolgenden Generationen übergeben.

Realitätsbezug
Mit diesem Kapitel sollte aufgezeigt werden, dass wir für eine verständliche (verstandes-gemäße) Weltsicht darauf angewiesen sind, gedanklich mit abstrakten Begriffen zu arbeiten. Wir müssen uns aber immer im Klaren sein, ob wir über konkrete Realität sprechen oder nur abstrakte Begriffe logisch handhaben.

Sobald das Ergebnis von Überlegungen nicht mehr durch direkten realen Nachweis bestätigt wird, dürfen wir nicht weiter extrapolieren. Mathematik kann hilfreich sein, aber es muss das Ergebnis jeden Rechenschritts noch immer vollkommen durch reale Erfahrung abgedeckt sein, sonst darf man nicht weiter rechnen.

Wenn nur der ´Anschein´ einer Wirkung gegeben ist, darf dieser nicht als realer Fakt betrachtet - und schon gar nicht analog auf einen anderen Fall übertragen und als Tatsache gewertet werden. Spätestens wenn die unterstellten Wirkungen (wie obige Anziehungs- bzw. Abstossungskräfte) auf engstem Raum (wie beim obigen Atommodell) sich widersprechen wird offenkundig, dass hier Realität und abstrakte Begriffe heillos vermischt wurden.

Vorige Beispiele sollten exemplarisch aufzeigen, wie schädlich eine frühzeitige Einführung eines abstrakten Begriffs ist, wie er sich ´verselbständigt´ und zwangsläufig zu völlig falschen Ergebnissen führt, wenn er extrapoliert oder auf andere Sachgebiete analog angewandt wird. Die Hypothesen der Gravitation und des Atommodells sind ins allgemeine Bewusstsein so hart eingraviert, dass andere Erklärungen zurück gewiesen werden, bevor sie noch zur Kenntnis genommen wurden. Die fortwährende (´selbstverständliche´ bzw. unreflektierte) Benutzung eingeführter Begriffe unterbindet damit die Suche nach der tatsächlich zugrunde liegenden Realität.

Ich werde selbstverständlich zu beiden obigen Beispielen aufzeigen, welche Ergebnisse man bei anderem Vorgehen erreichen kann und ich werde Erklärungen zu vielen anderen problematischen ´Phänomenen´ aufzeigen.

01.03. Reale Sicherheit Äther-Physik und -Philosophie